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| - Zu dieser Vorstellung hatten sich besonders viele Besucher eingefunden, was bei der vorangegangenen Werbung aber auch keine große Überraschung war. Die ganzen letzten Tage war man nicht durch die Stadt gekommen ohne mit den "großen Enthüllungen", die heute stattfinden sollten, konfrontiert zu werden. Und genau der Mann, der alle Einwohner von den Plakaten aus zugelächelt hatte, betrat nun die Bühne und ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. Sofort verstummte das Gemurmel der Menschen und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Er hingegen blickte zufrieden in die erste Reihe, wo sich sämtliche Ehrengäste, vom korrupten Sheriff bis zum öffentlichkeitsscheuen Pfarrer, alle eingefunden hatten. Er räusperte sich und ergriff das Wort: "Meine Damen und Herren, eventuell haben Sie flüchtig schon mal gehört, wozu diese Veranstaltung heute dienen soll." Ein leises Gelächter ging durchs Publikum. Von wegen flüchtig, selbst die landesweiten Nachrichten hatten kurz darüber berichtet und jede Lokalzeitung war voll davon. "Für alle die mich nicht kennen, ich bin Bürgermeister Stewart Flachlon und übe diesen Beruf seit nunmehr vierzehn Jahren aus, deshalb macht es mich umso stolzer heute Abend verkünden zu können, dass während dieser Zeit in unserer Stadt nichts annähernd so Interessantes passiert ist." Das daraufhin entstehende überraschte Raunen machte ihn noch stolzer. Nachdem wieder Stille eingekehrt war, nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Wasserglas, bevor er mit siegessicherer Miene in das Rednerpult griff und ein kleines dunkelrotes Büchlein hervorholte. "Das hier...", verkündete er, "Das ist ein Tagebuch, welches bei der Räumung eines alten Anwesens etwas außerhalb gefunden wurde und es gehörte niemand anderem als dem Gründer unserer geliebten Stadt, Henry Montsilver." Nun war es nicht mehr nur ein Raunen, nein, jetzt war es aufgeregtes Getuschel. Der Bürgermeister grinste nun über beide Ohren. "Weder ich noch sonst irgendjemand hat bis jetzt in dieses Buch gesehen, doch heute Abend wird sich das ändern. Sie werden nicht nur Zeuge sein, wenn nach über 300 Jahren dieses Dokument wieder gelesen wird, nein, Sie werden die ersten sein, die diesen Text vernehmen dürfen." Noch bevor er weiterreden konnte, wurde der Raum von rauschendem Beifall erfüllt. Einzig und allein der Reverend verbarg seine Meinung hinter der üblichen Maske aus Berechnung und Abscheu. Der Redner jedoch versuchte lachend, den Applaus zu unterbinden, und als wieder Ruhe herrschte begann er vorzulesen: Wir schreiben den 19.August im Jahre des Herrn, 1693. Seit nunmehr drei Wochen streife ich mit meinem Gefährten, John Acan, durch die Wälder dieser Kolonie, welche sich New Hampshire nennt. Wir starteten unsere Reise bei Hilton's Point, der Hauptstadt dieses Bereichs. Selten habe ich ein so erbärmliches Provinznest gesehen. Wir zogen los, im Auftrag ihrer Majestät Königin Maria II. von England, um einen geeigneten Ort für die Errichtung einer neuen Stadt als Bastion gegen die Ureinwohner, jenen barbarischen Heiden, die in unseren Städten brandschatzen und unser Vieh entführen, zu errichten. Wir irrten bis jetzt über allerlei Land, durch finstere Wälder und über grüne Ebenen, doch war es uns bis jetzt nicht vergönnt, einen passenden Standort für eine solche Siedlung zu finden. Überhaupt fanden wir überraschend wenig, in diesen Gefilden leben weder viele Tiere, geschweige denn ein Mensch. Schon seit einer Woche leiden wir Hunger, da uns partout kein Hirsch oder Schwein, ja nicht einmal ein Hase vor die Flinte laufen will. Diese Wälder hier wirken nicht wie die im fernen Heim England, sie sind weder grün noch strotzen sie vor Leben und erhellen den Geist, nein, dieses Dickicht hier wirkt düster und tot, es vergiftet die Seele und scheint nahezu feindlich gegenüber uns zu sein. Heute war ein besonders ungemütlicher Tag. Schon in den frühen Morgenstunden verfinsterte sich die Sonne, bis sie von einem undurchdringlichen Wall aus grauen Sturmwolken umgeben war, welche begannen, unaufhörlich ihre Wassermassen über uns zu ergießen. So marschierten wir durch diese unheilige Dämmerung, mit knurrendem Magen und düsterer Stimmung. Und als wäre es der Wille des Herrn, so mussten wir während dieses Wolkenbruchs einen besonders finsteren und ausladenden Teil dieser grünen Hölle passieren. Dort, an diesem Ort, scheint immerwährend Nacht zu herrschen und die Dunkelheit zu regieren. Wenn man dort entlangwandert, so hat man das unaufhörliche Gefühl, beobachtet zu werden und als würde etwas hinter den Bäumen lauern, etwas, um dessen Existenz man besser nicht weiß. Doch trotz aller Widrigkeiten fanden wir uns danach auf einer breiten Lichtung wieder, welche sich als breite Ebene entpuppte. Morgen werden wir uns hier nach einem geeigneten Ort umsehen. Unser Ziel scheint ganz nah. Wir werden verfolgt. Der Bürgermeister stutzte kurz und ein leises Murmeln raunte durch die versammelte Menschenmenge. Heute Morgen entdeckte John Fußspuren in der aufgeweichten Erde. Wir hielten sie erst für die Abdrücke eines französischen Spähers, doch wie sich später herausstellte, war die Person barfuß. Ob uns einer dieser Wilden gefolgt ist? Langsam wünsche ich mich nach Hause zu meinem Weib und meinen Kindern. Diese Expedition gleicht einem Ritt durch die Hölle. Unser Verfolger verhielt sich friedlich, doch nun scheint er uns vertreiben zu wollen. Nach einer besonders unbequemen Nachtruhe mussten wir feststellen, dass unser kleines Lager komplett verwüstet wurde. Diese verfluchten Heiden, sollen die in der Hölle schmoren. Wir haben beschlossen, umzukehren. Verdammt seien die Bestrebungen ihrer Majestät, nichts und niemand bringt mich dazu, noch einen weiteren Tag weiter in die Wildnis dieser gottlosen Gegend vorzudringen, gepeinigt von Hunger und Nässe. Diese Ebene erwies sich als unfruchtbar und von Mooren durchzogen. Wer immer sich hier niederlassen will, muss vom Teufel besessen sein. Es ist unmöglich. Schlicht und ergreifend unmöglich. John und ich begaben uns heute auf den Rückweg und beschlossen, den unseren Karten zufolge direkten Weg zu beschreiten, um logischerweise möglichst schnell in die sichere Stadt zu gelangen. Wir überquerten also die Ebene, schlugen uns durch noch einen dieser gottverdammten finsteren Wälder, und als wir das Ende dieses grünen Monsters erreichten, standen wir in Ruinen. Es sind nicht die Ruinen einer unserer Siedlungen, es scheint sich um die verlassene Stadt eines dieser wilden Stämme zu handeln, ähnlich den Inkas und Azteken in Neuspanien. Wir haben nun erst einmal unser Lager am Rand dieser Anlage aufgeschlagen. Morgen werden wir dann diesen Ort erkunden, wohlmöglich mag er antike Schätze bergen. Irgendetwas stimmte mit diesem Ort nicht. Diese gesamte dunkle Ausstrahlung und dieser tote Eindruck, er schien dort seinen Ursprung zu haben. Wir erkundeten zuerst die einfachen Holzhütten am Rand der Siedlung, doch sie waren allesamt leer, man fand dort nichts außer dem blanken Boden. Am nächsten Tag wagten wir uns an das größte Gebäude, eine Art hölzerner Tempel in der Mitte dieser Siedlung. Er stand auf einer Art Insel, die sich in der Mitte des hier fließenden Flusses gebildet hat. An einigen Stellen war das Wasser äußerst flach und so gelang es uns, hinüber zu diesem heidnischen Heiligtum zu waten. Es entpuppte sich als eine Art Kuppel, die man direkt auf den Boden gesetzt hatte. Wir betraten sie und wurden sofort von fast unheimlich vollkommener Finsternis eingehüllt, die auch unsere Fackeln nur im Ansatz zu vertreiben mochten. In diesem Tempel selbst befanden sich weder Altäre noch Schätze, es schien viel mehr eine Art Eingang zu sein, denn vom Rand aus wurde wie bei einem Trichter der Boden immer weiter ausgehöhlt. Wir begannen also, hinabzusteigen und als wir nach gefühlten Stunden am Boden angelangt waren, entdeckten wir einen Tunnel, der sich mitten in die Hölle zu graben schien. Ich kann mir nicht erklären wieso, doch an diesem Punkt überkam uns beide eine solch paranormale Angst, dass wir Hals über Kopf aus der Anlage hinausstürmten. Doch auch als wir den Tempel verließen, blieb diese Furcht und sie begleitete uns die ganze Nacht hindurch. Und so beschlossen wir heute, es sei unsere christliche Pflicht, diesen Ort ein für alle Mal von der Oberfläche zu tilgen. Wir brannten alles nieder, wir begannen bei den Häusern und zogen so eine Schneise der Verwüstung bis zum Fluss, wo wir den Tempel versengten. Auch scheint unser Verfolger nun verschwunden zu sein, denn aus dem inneren des Tempels vernahmen wir Schreie in einer unbekannten Sprache, es klang fast wie ein Gesang, wie eine Art Hexerei oder Fluch. Solche heidnischen Riten gehören nicht in die Gebiete der britischen Krone. Doch genau hier werden wir unsere Siedlung gründen, der Ort scheint perfekt, wie ein Phönix wird sie aus der Asche entstehen und benannt wird sie nach uns. Henry Montsilver und John Acan. Monacan. Mittlerweile hatte sich blankes Entsetzen in den Gesichtern der Menschen breit gemacht. Der Bürgermeister räusperte sich: "Meine Damen und Herren, auch wenn die Gründung unserer Stadt...unrühmlicher begann als angenommen, so ist es doch kein Grund in irgendeiner Form unsere Stadt nun als etwas anderes zu betrachten als..." Weiter kam er nicht, denn die empörten Menschenmengen und Reporter unterbrachen ihn. Und genau an diesem Abend beschloss ich, zu erfahren was es mit meiner Heimatstadt auf sich hat. Ich habe mit der Zeit viele unglaubliche und merkwürdige Geschichten gefunden, und diese werde ich hier veröffentlichen. Bis auch der Letzte um das Schicksal dieser verfluchten Stadt weiß. Um das Schicksal von Monacan. Bereits offengelegte Mythen: 1.
* Das Biest von Monacan 2.
* Der traumhafte Polizist 3.
* Zamolxis 4.
* Die Maid von Irland Kategorie:Lang Kategorie:Linksammlung
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