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| - Als Margreth aufwacht, ist es noch dunkel – aber der Duft des Nadelwaldes hat sich verändert und man kann fühlen, dass der nächste Tag näher gerückt ist. Sie schlägt die Augen auf und betastet ein wenig beunruhigt die tiefe Wunde in ihrer Seite. Das tote, lehmdurchsetzte Fleisch hat sich noch nicht wieder zusammengesetzt, wie es sonst so oft geschehen war. Margreth bleibt einen Moment lang nur liegen und spielt verwundert mit ihren trockenen Fingern am Rand der Verletzung herum. Wulfen hat sie mit einem wirklich üblen Hieb erwischt. Sie denkt an sein hasserfülltes Gesicht und schaudert. Er tut Margreth derart leid, dass sie es kaum in Gedanken fassen kann. Wie unglücklich und verloren muss jemand bloß sein, um so zu werden wie Wulfen Thesnith? Sie will es lieber gar nicht wissen. Sie wünscht sich einfach nur es gäbe eine Möglichkeit, ihm seine ganze Bitternis auszuwaschen wie Gift aus einer Wunde. Es macht Margreth immer traurig, Leute wie Wulfen zu treffen. Sie betrachtet den Schatten ihrer Hand im nächtlichen Dunkel. Ist das nicht seltsam? Dass sich etwas Totes weiterbewegt und weiterfühlt ist ja schon merkwürdig genug – sie hat nie verstanden, wie ihr so etwas hat zustoßen können. Oder warum gerade sie eine Verlassene geworden ist, wo sie doch eigentlich nichts besonders Besonderes an sich hatte. Aber was fast noch seltsamer ist, findet Margreth, das ist wie man sich an die Dinge gewöhnt. Gewiss, letztendlich denkt sie, dass sie immer noch die selbe Frau ist. Es passiert ihr immer wieder mal, dass sie völlig gebannt vor einem Spiegel stehen bleibt, wenn sie mal einen in ihrer Nähe hat. Dann schaut sie sich ihren Plattenpanzer und der Helm, das Schwert aus Schwarzmithril und all ihre anderen Ausrüstungsgegenstände an... und kann nicht glauben, dass das wirklich sie ist, die sie vor sich sieht. Und manchmal erwacht sie am Morgen, streckt sich und findet, dass ihr Körper seltsam kalt und taub ist. Und erst wenn sie ihre Hände und Unterarme sieht fällt ihr ein: Ach ja. Ich bin ja tot. Solche Momente sind immer von einem winzigen Moment schrecklicher Trauer begleitet, als würde ein hauchdünner Glassplitter durchs Hirn schießen. Aber man gewöhnt sich eben doch daran und Margreth stellt fest, dass es inzwischen letztlich doch zwei Versionen von ihr gibt: Die die sie mal war und die, die sie heute ist. Die, die sich allen Ernstes mit erhobenem Schild Halbdrachen und Ogern entgegen stellt, was Maggie Tiffen aus Wisdale wohl nie und nimmer getan hätte. Wie auch immer: Die Verletzung, die Margreth jetzt an ihrer Seite spürt, erinnert sie jedenfalls an die alte Margreth Tiffen. Sie erinnert sie daran, wie es früher war sich in den Finger zu schneiden oder sich auf dem Feld den Fuß zu verdrehen. Sie fragt sich, welche von beiden wohl den kleinen Peter so unbedngt beschützen will, dass sie dafür derlei gefahren auf sich nimmt. Dann muss sie lächeln. "Alle beide natürlich", flüstert sie leise zu sich selbst. Margreth hört Thessin leise stöhnen und hebt den Kopf. Dann steht sie langsam auf. Der Elf ist nur ein dunkler Schemen in der Schwärze jenseits des Lagerfeuers, liegt an einen Baum gelehnt auf dem Boden und scheint zu schlafen. Er murmelt Dinge in seiner fremden Sprache und bewegt sich ein wenig, so als hätte er einen schlechten Traum. Der kleine Peter schläft dagegen friedlich. Margreth betrachtet das Kind einen Moment lang und lächelt versonnen … dann erhebt sie sich und tritt zu Thessin. Sie berührt vorsichtig seine Schulter, um ihn zu wecken. Als der Elf aufschreckt und den Kopf hebt, klebt Schweiß an seinem Gesicht. Für eine winzige Sekunde wirkt er fast verängstigt. Dann erkennt er Margreth und bekommt sich unglaublich schnell wieder unter Kontrolle. Sie fragt sich trotzdem, was er wohl geträumt hat. Es kann nichts Schönes gewesen sein. „Wwas… ah Miss… Tiffen…“ Thessin setzt sich auf und sieht sich mit einem leicht verärgerten Blick um. „Ich muss eingeschlafen sein. Ich bin ein Dummkopf, verzeiht dass ich…“ „Ach ist schon gut, wisst ihr es gibt Schlimmeres als…“ Er hebt eine Hand, bedeutet ihr den Mund zu halten und blickt in die Dunkelheit. „Wartet… was ist das?“ Margreth lauscht ebenfalls. Kein Wald ist jemals still. Auch – vielleicht sogar besonders – nachts nicht. Aber jetzt ist da ein Geräusch, das keine kleinen Tiere oder fallenden Fichtenästchen verursachen. Jemand geht durch die Dunkelheit auf ihr kleines Lagerfeuer zu, und der Waldboden knistert unter seinen Schritten. Thessin legt einen Finger auf die Lippen, wischt sich Schweiß von der Stirn und zieht einen seiner Langdolche. Dann tritt er zurück ins Dunkel ohne das winzigste Geräusch zu machen und verschwindet einfach, wie zuvor in de Kanälen. Margreth selbst überprüft den Sitz ihres Schwertes und sieht sich nach ihrem Schild um, bis sie begreift, dass sie ihn in Undercity zurückgelassen hat. Haben sie sie gefunden? Sind das Wulfen und seine Männer? Wenn ja… sie kann kämpfen. Ihr Kiefer wird hart, als sie dem schlafenden Peter flüchtig lächelnd über die Wange streicht und sich dann aufrichtet. Sollen sie nur kommen. Aber in diesem Moment erklingt aus der Dunkelheit, vielleicht zwanzig, dreißig Schritt vom Lagerfeuer entfernt, eine Stimme. Nicht die Stimme eines Untoten, sondern überraschenderweise die Stimme einer Trollin, gelangweilt und im grimmig unterlegten Plauderton. „Oh key Tiffen. Wenn das dein Lager is’, gibst du jetzt besser Laut. Und falls hier jemand anders lagert, dann macht keinen Scheiß. Ich wünsche hier keine Aggression. Aber ich trete in jedermanns Arsch, der mich anspringt.“ Margreths Herz fließt fast über vor Erleichterung. „Frau Jippa?? Ihr habt mich ja doch gefunden! Jaja ich bin’s ich bin hier! Keine Sorge, das ist mein Lager!“ Etwas faucht leise, ein Licht flackert zwischen den Bäumen auf. Jippa tritt auf die Lichtung und zieht an einem neu entzündeten Zigarillo. Ihre funkelnden, schmalen Augen ruhten auf Margreth. Ihr Auftritt ist an Lässigkeit nicht zu überbieten, auch wenn die Trollin müde aussieht und ihre Kleidung – Weste, enganliegende Stoffhose und der übliche magische Schmuck – schmutzig aussah. „Oh key, Tiffen. Du hast mir geschrieben. Du wolltest Milch. Und ich bring dir deine verfoohkte Milch. Ich weiß nicht, was diese Scheiße genau bedeutet – aber ich weiß, dass halb Tirisfal hinter dir her ist. Zeig mir, was du den Apothekern geklaut hast.“ Einige Minuten später. Der kleine Peter erwacht. Er ist viel zu jung um irgendetwas Brauchbares zu denken, zu verstehen oder auch nur zu erkennen. Aber aus seinem Körbchen blickt er in drei Gesichter hinauf – ein trollisches, ein elfisches und das einer Untoten – die zu ihm schauen und fast sein gesamtes Blickfeld ausfüllen. Es ist annährend schade, dass er diesen Anblick, der nur wenigen Menschenbabys zuteil wird, nicht würdigen kann. „Was ist das.“ Jippa sieht ihn verständnislos an. Thessin antwortet als Erster. „Das ist ein Kind“. Margreth nickt zustimmend. „Genau.“ Stille. „Und warum besitzt dieses Kind keine Zähne.“ „Äh. Was? Es ist erst ein paar Monate alt, Frau Jippa.“ Stille. „Das is’ doch keine Antwort, mann.“ „Äh also… Menschenkinder wachsen die Zähne wirklich erst später.“ „Wie essen eure Kinder dann Fleisch.“ „Sie… also.. das machen Menschenkinder nicht….“ Stille. „Oh key. Eine Frage führt nur zu weiteren, schätze ich. Kommen wir zum Punkt. Dies hast du den Apothekern geklaut. N Baby ohne Zähne.“ „Äh.“ Jippas Blick gleitet kurz über den Elfen – Thessin hat noch kaum ein Wort gesagt, seit Margreth sie einander vorgestellt hat. Dann tritt sie einen Schritt zurück und legt eine Hand auf ihre Hüfte. Mit der anderen, die den Zigarillo hält, wedelt sie ungeduldig und ein wenig verärgert. „Tiffen mann, ich krieg’ einen Brief in dem du mir sagst, was Wichtiges sei geschehn. Du schreibst, du wirst versuchen über den Silberwald nach Hillsbrad zu reisen und ich soll dir helfen. Du schreibst, du brauchst Milch. Fucko mann, kaum bin ich per Teleport in Undercity, werd’ ich von Bewaffneten anpalavert. Der Flugturm is’ gesperrt, die Todeswachen stellen die ganze verkackte Stadt auf den Kopf. N Typo namens Thesnith will mich festnehmen lassen und ich muss erstmal damit drohen dass die Darkspear echt angepisst sein werden, wenn man mich einkerkert. Dann bringen sie mich höflichst zu einem von Varimathras' Leuten, der Loa sei Dank mein Antlitz kennt und weiß dass ich n wenig Gewicht habe und dass die Entweihten mich krass finden. Und ich krieg zu hören, dass 500 Goldstücke auf deinen Kopf ausgesetzt sind, weil du den Apothekern was gestohlen und die Verlassenen verraten hast.“ „Fünfhundert… GOLDSTÜCKE?“ Margreth starrt Jippa an und spürt wie ihr Herz durch den Boden fällt. „Aber … aber ich… also ich… fünfh… hundert…. Ich äh also ich weiß nicht wie… Jippa unterbricht sie wütend.“ „Tiffen, was… zum… HENKER denkst du tust du hier, verschissen noch mal? Ich dachte du hast sonst was geklaut. N magisches Schwert, die Krone des Willens, irgendwas das wirklich Gold wert ist mann. Zwei Banner Todeswachen sind hinter euch zwei Witzfiguren her. Die Straßen werden kontrolliert, mann. Fledermausreiter checken das ganze verfoohkte Land. Mein Raptor ist auf dem Ritt fast verreckt, so verflucht schnell bin ich geritten, kacke verdammt. Weil du n verschissenes KIND geklaut hast? N Kind ohne Zähne?? Dafür legst du dich mit Sylvanas Lieblingen an?“ Margreth fühlt ein leichtes Zittern und wirft einen Blick auf Peter, der durch die Schärfe in Jippas Stimme unruhig geworden ist. „Also es ist nicht… nein…“ Jippas Reaktion lässt eine tief sitzende Angst aufwachen und von innen an ihrem Brustkorb knabbern. „Hör zu, Tiffen: Die Verlassenen werden dich nicht mehr in diese Stadt lassen. Oh key? Genau genommen werde sie dich umlegen, wenn du weiter zu fliehen versuchst. Ich mein, fucko, wo willst du denn hin mit dem Teil da? Aber Varimathras' Mann hat kluge Dinge gesagt. Gib das Kind zurück – was weiß ich, gib’s mir und ich klär das. Halt dich von Undercity fern, leiste Abbitte bei Sylvanas. Lass Gras über die Sache wachsen. Häng in Silithus oder in Ogrimmar rum oder so. Oder ich beschaff dir Jobs in der Scherbenwelt. Sei mal zur Abwechslung clever und du kommst vielleicht knapp davon.“ Jippas Blick wird milder und sie schaut Margreth fast hypnotisierend in die Augen. Das wäre weise, mann.“ Margreth schüttelt ungläubig den Kopf. „Ich brauche… ich dachte ich bekomme von euch Hilfe…“ „Ich versuch hier grade dir zu helfen, Tiffen. Ich hab mehrere Patroullien umritten. Ich hab’ dich nur vor denen gefunden, weil mein Raptor mal echt schnell ist, wenn er merkt dass ich’s eilig hab. Noch suchen die euch auf der Straße, aber sie werden auch diese Schleichwege hier checken, mann. Du kannst den Todeswachen nicht entkommen, du blödes Stück.“ Jippa schüttelt müde den Kopf. Margreth schüttelt ihren auch. „Tja na ja man weiß es aber nicht oder? Man weiß nicht was die Zukunft bringt, sag ich immer. Und deshalb…“ „Fucko, den Tod. Die Zukunft bringt den Tod, wenn du so bescheuert bist, weiter zu reiten. Sie holen dich ein, mann.“ Margreth beißt die Zähne zusammen. Sie kann alles in Jippas Augen sehen. Die Trollin versteht sie nicht, kein bisschen. Sie versteht überhaupt nicht worum es geht. Maßlose Enttäuschung erfüllt Margreth, so dass sie fast schreien könnte vor Verzweiflung. Und Wut bricht sich Bahn. Sie bückt sich, hebt einen flachen Schieferstein vom Waldboden auf und wirft ihn Jippa zu. Sie lächelt auf eine grimmige Weise. Die Verzweiflung, die ganze schreckliche Situation, das lässt sie lächeln. Sie weiß, dass sie vermutlich nicht mehr so aussieht, als wäre sie sie selbst. Das Lächeln ist nicht ihres. Es fühlt sich kalt und fremd an. „Hier.“ „Was soll ich damit, mann.“ „Na ja also ich denke wir sparen uns einfach Mühe.“ Margreths Lächeln wird etwas intensiver. Thessin blickt zwischen ihr und Jippa hin und her, während die Untote langsam und deutlich weiterspricht. „Ich schlage vor, dass ihr den Stein nehmt und dem Kind – also Peter meine ich – einfach damit den Schädel einschlagt, oder? Ich mein ich weiß nicht wie es bei Trollen ist. Aber die Köpfe von Menschenkindern sind sehr weich. Ein Schlag reicht sicher, aber mit drei oder vier kann gar nichts mehr schief gehen.“ Jippa wiegt den Stein und betrachtet ihn nachdenklich mit geschürzten Lippen. „Was spielst du hier für ein verkacktes Spiel, Tiffen. Was ist das für eine Scheiße.“ „Nun“, haucht Margreth vergnügt und dennoch gefährlich, „so wollt ihr die Welt doch gerne haben, nicht wahr Frau Jippa? So stellt ihr euch die Welt doch vor. Man spielt die Karten aus, die man bekommt, hab ich Recht? Wer nicht zurande kommt oder schwach ist, der hat’s nicht besser verdient. Hm? Ist doch so, oder? Ist doch so? Wenn wir das Kind da nach Undercity bringen, werden die Apotheker es quälen und Sachen an ihm ausprobieren und ihm Gifte geben oder es verstümmeln oder mit Krankheiten infizieren. Und wenn es Glück hat, dann stirbt es bald. Und wenn es kein Glück hat, dann halten sie es lange am Leben. Also wenn das die Wahl ist, da können wir ihm doch auch gleich den Kopf eindrücken, nicht wahr? Damit lösen wir die ganze Probleme die ich habe und dann reiten wir zurück und geben es ihnen und vielleicht komm ich ja noch mal davon, wenn ich Abbitte leiste.“ Margreth lächelt immer noch irre, während sie auf Jippa zutritt, ihr in die Augen schaut und ihr das Schieferstück wieder aus der Hand nimmt. Sie spürt eine so finstere Schwärze in sich, dass sie sie am liebsten erbrechen würde. Sie weiß nicht recht was sie tut, sie hat sich nicht mehr unter Kontrolle und das ist ihr auch völlig egal. „Ich kann’s machen, wenn ihr nicht möchtet. Ich schlag ihm den Schädel ein.“ Mit einem schnellen Schritt geht sie zu Peter, hebt den Arm, blickt dem verständnislos glotzenden Baby in die Augen. Sie lässt ihre Hand mit Wucht herunterfahren und wird zurückgerissen. Mama Jippas Hand hat sich um ihren Unterarm geschlossen. „Tiffen, hör auch mit diesem verfoohkten…“ „WARUM denn?“ Jetzt schreit Margreth, zerrt an Jippas Arm und schaut ihr aus nächster Nähe in die Augen. Sie muss ihre Wut nicht mehr erbrechen, sie strömt schon pechschwarz aus ihr heraus. Sie speit sie Jippa ins Gesicht. „Warum macht ihr euch denn plötzlich Sorgen, Frau Jippa? Ist das nicht das SPIEL? Spielt man das SPIEL nicht so? Ihr seid doch so eine Spielerin ihr erzählt mir immer vom SPIEL und wie man seine Karten ausspielt“, schreit Margreth, während sie Jippa einen Schlag gegen die Brust versetzt und die erstaunte Trollin nach hinten taumeln lässt. „Wenn ich Peter totschlage und mir egal ist, was mit ihm passiert, habe ich’s dann gut gemacht? Hab’ ich das SPIEL dann gewonnen?? Darf ich dann weiterspielen??“ Sie versetzt Jippa einen weiteren Stoß und bemerkt zum ersten Mal, seit sie sich vor zwei Jahren in Tirisfal kennen gelernt haben, wie leicht und zerbrechlich sich die Trollin anfühlt. „Habe ich dann bewiesen dass ich lässig bin und Respekt verdiene und dass ich das Spiel spielen kann? Nein?“ Noch ein Stoß. Jippa schlägt Margreths Hand perplex weg, ihr Gesicht wirkt grimmig und konzentriert „Nein? Nein??! Warum denn nicht?? So lebt ihr doch auch nicht wahr? Wie viele Kinder habt ihr denn schon totgeschlagen weil sie schlechte Karten hatten??“ Sie hat Jippa bis an den Rand der Lichtung gedrängt. Die beiden stehen voreinander und starren sich aus nächster Nähe an. Die Trollin atmet mühsam beherrscht und mit geblähten Nüstern, Margreth atmet gar nicht. Ihre Augen werfen wie helle Lampen gelbliches Licht in das Gesicht der Magierin. Als sie weiter spricht, tut sie das sehr leise und fest. Sie hat sich wieder etwas mehr unter Kontrolle – und sie spricht nur noch aus, was so tief aus ihrem Innersten kommt, dass es erst durch die Wut freigesetzt werden konnte. „Weil das Leben nun mal kein Spiel ist, Frau Jippa. Für euch vielleicht, und das ist eure Sache, wenn ihr so leben könnt. Aber für andere Leute ist das Leben kein Spiel.“ Sie zeigt auf Peter hinter sich, ohne Jippa aus den Augen zu lassen. „Das da ist ein Mensch. Seine Mutter ist in Gefangenschaft gestorben und sein Vater war ein mutiger Mann und hat es geschafft zu entkommen und er ist wegen eines dummen Missverständnisses gestorben und dachte in dem Moment wo er gestorben ist, dass sein Kind verloren ist. Für die beiden war das Leben kein Spiel, es war bitter und hart und schrecklich. Und es hat kein gutes Ende genommen sondern ein trauriges, schmerzhaftes, finsteres Ende. Und es war egal, wie sie gestorben sind, weil man dabei keine Haltungsnoten bekommt und keine dumme Trollin eine Tafel mit Punktwertung hochhält und es keinen Sonderpreis gibt wenn man es ihrer Meinung nach irgendwie gut gemacht hat. Sie sind einfach gestorben und sie hatten keine Hoffnung als sie gestorben sind und sind in die Dunkelheit gefallen und jetzt sind sie einfach fort und verschwunden und haben aus der Welt hier nur Bitternis und Tränen mitgenommen. Und jetzt hat Peter nur einen der auf ihn aufpasst, und das bin ich. Und es gibt überhaupt gar nichts das ich machen kann, außer dass ich ihn in Sicherheit bringe. Es gibt gar keine andere Wahl, weil ich nicht so gemacht bin wie ihr sondern weil ich ich bin und für mich ist das Leben kein dummes Spiel sondern es ist ernst und wenn ich es nicht ernst nehme, dann bin ich nicht Margreth Tiffen. Und wenn ich Peter nicht in Sicherheit bringen kann, wenn ich das nicht schaffe, dann bringe ich ihn jedenfalls so weit es geht. So weit es nur irgend geht. Und wenn ich verstoßen oder getötet oder aufgehalten werde, dann habe ich alles getan was ich konnte. Und dann ist egal ob ich sterbe oder wie ich sterbe oder was sie sonst mit mir tun. Weil ein Fisch im Wasser schwimmt und ein Drache fliegt und der Mond in der Nacht scheint und weil ich keine Kinder ermorde.“ Margreth lehnt sich etwas weiter vor und man kann jede Sehne ihres Körpers knarren hören, so sehr steht sie unter Spannung. Ihr Gesicht ist so hart, als wäre sie nie ein Mensch gewesen. „Und das Licht habe Gnade mit allen, die es wagen mir in den Weg zu kommen, bevor ich Hillsbrad erreicht habe.“ Es herrscht wieder Stille. Die Blicke der Trollin und der Untoten sind ineinander verschränkt wie die Arme orkischer Ringer. Mama Jippa senkt ihren als erste, zieht ein letztes Mal an ihrem Zigarillo und wirft ihn dann fort. „Du musst es wissen, Tiffen“, erklärt sie leise und verschlossen. Thessin räuspert sich. Beide blicken verwirrt zu ihm. „Mehr als ungern störe ich euer Gespräch“, sagt der Elf im Plauderton. „Es ist so nett, wenn alte Freundinnen parlieren.“ Er kniet neben Peter und streicht dem Kind geistesabwesend über die Wange. „Mh… Aber ich hätte jetzt gern diese Milch für das Kind. Wenn ihm also doch niemand den Schädel einschlagen möchte.“
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