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| - Als ich das leerstehende und baufällig Gebäude das erste Mal erblickte, wusste ich, dass ich einen Haufen Arbeit vor mir hatte, doch es war das einzige Haus, das ich mir leisten konnte und so beschloss ich mich auf diese Tortur einzulassen. Ich wusste nicht wem das Haus vorher gehört hatte, aber der ehemalige Besitzer musste sicher schon vor Jahre ausgezogen sein, denn so wie es aussah, stand das Gebäude schon seit über 10 Jahren leer. Ich hätte jenes hölzerne Gebilde es auf den ersten Blick nicht einmal als Haus bezeichnet. Der Begriff Bruchbude traf es schon eher als jener Begriff den der Immobilienmakler verwendet hatte. Nachdem er mir den Schlüssel überreicht hatte, meinte er, dass ich mir das Haus ruhig schonmal ansehen sollte, während er die nötigen Papiere aus seinem Büro holte. Scheinbar konnte er mir meine Verzweiflung ansehen, wenn er sich so sicher über meinen Kauf war, dass er bereits die Papiere fertig machte, aber mir blieb auch wirklich keine andere Wahl. Nachdem David mich verlassen hatte, war ich auf mich alleine gestellt und die Tatsache, dass ich seinetwegen mein Studium geschmissen hatte, hatte letztendlich nur dafür gesorgt, dass ich mich jetzt mit einem Job bei Burger King über Wasser halten musste. Eigentlich müsste ich ihn hassen, doch ich bringe es nicht übers Herz ihn auf ewig aus meinem Leben zu streichen, deshalb behalte ich seither den Ring, den er mir zu unserem fünften Jahrestag geschenkt hat, am Finger. Golden mit einem schimmernden kleinen Stein darauf. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und sich die Tür mit einem unangenehmen Knarren zu öffnen begann, ertönten plötzlich leise Schritte im Haus. Vorsichtig trat ich über die Türschwelle und schaute mich um. Das Haus sah von innen sogar noch recht annehmbar aus, was mich aufatmen ließ, doch plötzlich durchfuhr mich ein eiskalter Schauer als ich meinen Blick die Treppe hinauf richtete und einen großen Schäferhund erblickte. Eigentlich hätte ich geschrien, aber der Blick des Hundes hatte etwas - beruhigendes. Keine 5 Minuten später kehrte der Makler mit den nötigen Papieren zurück; ich unterschrieb und damit war ich der neue Besitzer. Als ich mich nach dem Hund erkundigte sah mich der Mann nur verdutzt an und sagte lediglich, dass er hier noch nie einen Hund gesehen habe. Ich wollte ihm den Hund zeigen, doch als ich ins Haus zurückkehrte, war der dieser verschwunden. Lange aufhalten wollte ich mich damit allerdings nicht, denn der Hund war sicherlich nur ein flüchtiger Besucher von einem der Nachbarhäuser und war vermutlich durch ein Loch in der Wand oder eine kaputte Tür ins Haus gelangt, was für mich nur ein Grund mehr dafür war, sofort mit der Renovierung zu beginnen. Noch am selbigen Tage habe ich damit begonnen das Schlafzimmer halbwegs bewohnbar zu machen, um meine erste Nacht in meinem neuen Heim zu verbringen. Ich schlief nicht sehr gut; vermutlich weil ich des öfteren Angst hatte, dass das Dach über meinem Kopf zusammenbrechen würde. Mein unruhiger Schlaf wurde am nächsten Morgen von einer viel schlimmeren Erfahrung übertroffen, denn als ich langsam die Augen aufschlug, erwachte ich nicht im Schlafzimmer, sondern mitten im Garten... Völlig verwirrt sah ich mich um und starrte plötzlich direkt in die Augen jenes Schäferhundes, der mir schon am vorigen Tage begegnet war. Teils immer noch verwirrt und teils erschrocken sprang ich auf und rannte in Richtung Haus, als ich hinter mir eine freundliche Stimme vernahm. Ich wandte mich um und sah eine etwas ältere Frau, die mir vom Nachbargrundstück zuwinkte. Sie sind neu in der Nachbarschaft habe ich recht?, fragte sie mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen. O-okay, gab ich leicht verwirrt zurück. Was denn verstanden? Ich überlegte kurz was sie meinen könnte, bis ich es als verrücktes Gerede von einer alten Dame abtat. Weniger hektisch, aber dennoch schnellen Schrittes ging ich ins Haus zurück und warf ein letztes Mal einen Blick auf den Garten, in welchem der Hund vergnüglich die Erde durchwühlte, bevor ich die Tür schloss. Nach der merkwürdigen Begegnung mit der alten Dame erkundigte ich mich bei dem Makler, was es mit dieser Frau auf sich hatte, woraufhin er mir erklärte, dass diese vor einigen Jahren beinahe in eine Nervenklinik eingewiesen wurde, da sie offenbar Halluzinationen hatte, doch stattdessen kauften ihr ihre Kinder das leerstehende Haus neben meinem, wo sie nun seit ungefähr sechs Jahren lebt. Sie kann sich ganz gut selber versorgen, aber alle zwei Wochen kommen ihre Kinder vorbei und bringen ihr frische Lebensmittel, da sie das Haus eigentlich nie verlässt, auch nicht zum Einkaufen. Um eine gute Nachbarschaft zu fördern beschloss ich gleich am Nachmittag einen Kuchen und etwas Kaffee in der Stadt zu kaufen, damit ich die scheinbar sehr freundliche Dame näher kennenlernen konnte. Verrückt oder nicht; sie machte jedenfalls einen sehr netten Eindruck auf mich. Bei der Gelegenheit kaufte ich auch noch ein paar Hunderleckerli für meinen neugierigen Besucher. Gegen vier Uhr nachmittags saß ich dann mit der alten Frau, deren Name Louise war, auf meiner Terrasse, aß Kuchen und trank Kaffee. Der Hund, dessen Name laut Louise Charlie lautete, lag neben mir und erfreute sich an den Leckerli die ich ihm mitgebracht hatte. Ich stutzte. Ich dachte kurz darüber nach. Eigentlich war ein eigener Hund gar keine schlechte Idee. Nachdem mich David verlassen hatte, wäre es schön zu wissen, dass es jemanden gibt, der auf mich aufpasst. Dies war der Tag an dem ich beschloss Charlie zu behalten und ich denke er war darüber mehr als erfreut. Letzte Nacht schlief ich wieder ziemlich unruhig und als ich erwachte, lag ich wieder mitten im Garten. Ich war sehr verwirrt, da ich zum ersten mal schlafwandelte, weshalb ich sogleich meinen Hausarzt kontaktierte, doch auch nach mehrmaligen Versuchen ging keiner an den Hörer. Als ich kurz darauf versuchte meine beste Freundin Laura anzurufen, nahm auch dort keiner ab. Wenigstens war Charlie da und leistete mir Gesellschaft. Als ich einen kurzen Blick aus dem Fenster sah, fiel mein Blick auf das Verkaufsschild vor meinem Haus. Der Makler hatte es doch glatt dort stehen gelassen. Schmunzelnd wandte ich mich vom Fenster ab und ging in Richtung des Gartens. Da es Samstag war und ich nichts zu tun hatte, bis der Umzugwagen kam, der übrigens sehr verspätet war, saß ich einfach im Garten mit einer Tasse Kaffee und beobachtete Charlie dabei, wie er im Garten lag und in der Erde wühlte. Am Anfang hat es mich nicht wirklich gestört, aber nun machte ich mir etwas Sorgen, dass er den ganzen Garten umgraben würde. Ich stellte die Tasse ab und ging auf Charlie zu, der nun auf der Erde lag und auf irgendetwas herum kaute. Vom weiten sah es aus wie ein kleiner Knochen, doch als ich näher kam, glänzte es im Schein der Sonne. In mir stieg plötzlich eine geradezu grässliche Vorahnung auf und ich riss Charlie das glänzende Etwas aus dem Mund. Schon als ich es berührte, fühlte es sich fleischig an und ich hoffte inständig, dass es nur eine Maus oder etwas ähnliches war, doch als ich genauer hinsah, stellte ich mit Entsetzen fest, dass ich Charlie soeben einen menschlichen Finger aus dem Maul gezogen hatte! Und das was da so glänzte war ein Ring, der an jenem Finger steckte... Meine Augen weiteten sich, meine Haut wurde blass wie der Tod selbst und meine Hände begannen so stark zu zittern, dass ich Mühe hatte, den Finger in den Händen zu behalten, denn der Ring, der an dem Finger steckte, war eben jener Ring, den mir David damals schenkte! Mein Blick schweifte hinüber zu meiner rechten Hand und fixierte sich wie gebannt auf meinen Ringfinger, an welchem eben dieser Ring sonst immer steckte... er war fort. Mit einem lauten Aufschrei ließ ich den Finger fallen und starrte direkt in Charlies große, braune Augen, die mich wie besessen fixiert zu haben schienen. Und auch wenn es albern klingt; aber ich hatte das Gefühl, dass der Hund mich anlächelte. Ein eiskalter Schauer durchfuhr meinen Körper und als ich benommen zurück taumelte, fasste mir plötzlich eine Hand auf die Schulter. Ich wandte mich hektisch um, fiel dabei beinahe zu Boden, und stolperte hinüber zum Haus von Louise, doch bevor ich es überhaupt erreichte, fiel mir plötzlich die morgendliche Zeitung ins Auge. In dem Moment gingen mir tausende verschiedene Sachen durch den Kopf und ich hätte auf der Stelle die Polizei kontaktieren müssen, doch in diesem Moment verspürte ich nur den Drang dazu, diese Zeitung anzusehen. Ich hob sie hoch und meine Haut schien noch blasser zu werden als sie es ohnehin schon war und meine Hände zitterten so stark, dass ich beinahe die Zeitung zerriss.
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