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| - Ein Kathul verpflichtet sich zu Treue, er schwört die Treue bis zum Tod.Er folgt seinen Befehlen. Der Erbauer wusste, das hatte sie getan.Litonja überlegte gewissenhaft. Sie war ihrem Herren aus Lordaeron gefolgt, durch verfluchte magische Portale in Welten, deren Landschaft dem Fiebertraum eines hoffnungslos Wahnsinnigen entsprungen sein mussten und war anschließend mit ihrem Kader über Nagrand direkt zu der Festung eines ähnlich Wahnsinnigen gezogen.Sie hatte für den Orden in Nordend gefroren, geflucht und gelitten, hatte Nächte durchwacht, während fremdes Wild das Unterholz durchstreifte und die Aufmerksamkeit eines Aufpassers mürbe machte.Sie war nochmals mit nach Lordaeron gezogen, hatte durch den ganzen Feldzug hindurch ihren Glauben an Recht und Gerechtigkeit der Ritter bewahrt.Und beim Erbauer, sie würde alles nochmal durchmachen, wenn sie dafür diese Mission abbrechen konnte.Missmutig blickte Litonja Silbergreif, Kathul im Orden des Erbauers auf die Schrecken, die nur einen Soldaten in den Diensten des van Roth erwarten konnten. Verzweifelt kniff sie sich in den Unterarm, betend, dass das ganze nur ein Trugbild war, nur ein böser Traum, dass sie just in dem Moment von einem anderen Kathul zur Frühwache getreten würde.Doch statt dem erhofften Weckruf kam nur einer von draußen, der zur Eile gemahnte. Die hohen Herren warteten.Silbergreif seufzte schicksalsergeben und zwängte sich in die Bürde aus rotem Brokat und weißer Seide, von Menschen mit einem makaberen Humor auch 'Abendkleid' genannt. Wahrscheinlich weil niemand mit einem wachen Verstand etwas derartig unpraktisches auch nur tragen, geschweige denn herstellen würde.Jetzt stand sie also hier, trug etwas, das mehr Ziernähte als echte hatte, an dem Arm des Herrn Knappen, den irgendeine idiotische Regel dazu zwang so zu tun, als wäre sie so etwas wie eine Dame mit tadellosem Ruf, versuchte, sich zwischen all dem Prunk und den herausgeputzten, hohen Herrschaften nicht so fehl am Platz zu fühlen wie ein Flickwerkgolem als Gaderobendame des jährlichen Paladin-Konvents und sinnierte darüber, wann genau denn alles so furchtbar schief gelaufen war.Es gibt Tonfälle, die sind gefährlich. Zum einen gehören da natürlich die klassisch-bedrohlichen, oftmals genkurrten dazu, und ganz sicher die laut gebrüllten. Doch wie überall gab es auch bei der Palette der gefährlichen Tonlagen die Sonderlinge, wie der seltsame, unauffällige Kerl, der in vollen Waffenkammern immer schnurstracks auf die Dolche zumarschierte. Oder der kleine Fisch mit den großen Augen, der seltsamerweise schon seit Wochen im Krokoliskenbecken überlebte, wobei die Zahl eben jener Krokolisken rasch abnahm.Im Falle der Tonfälle war ein verdammt gefährlicher Tonfall der beiläufig-höfliche. Wenn Befehle in ihm vorgetragen wurden, sollte ein Soldat nicht zögern, alle erdenklichen Register zur Vermeidung zu ziehen, sei es eine plötzliche Krankheit bis hin zum Provozieren von Strafdienst, der den regulären Dienst unmöglich machen würde.Und genau das hätte sie tun sollen, als der Befehl erklang, sie solle eine Gesandschaft hochrangiger Ordensmitglieder nach Sturmwind eskortieren.Dummerweise war Litonja guter Dinge gewesen. Hohe Herrschaften zu einer solchen Gesellschaft zu begleiten hieß für eine Soldatin wie sie meist die Pferde zu hüten, mit den Wachen vor der Tür zu plaudern und die Reste des Festessens zu genießen, die der Koch loswerden wollte, damit die Spülknaben an die Arbeit gehen konnten.Soweit so gut. Es wäre ein angenehmer Abend in Sturmwind gewesen, neuer Tratsch, Stadtluft und vielleicht der ein oder andere Kupfertaler Trinkgeld, weil die Pferde noch alle da waren.Doch ihr alter Freund Tonfall war schleichend zurückgekehrt, mit einer neuen Botschaft. Kein Befehl, nein, gefährlicher. Einfach nur eine simple Information, die schnell überhört werden konnte und umso fataler sein könnte. Umso fataler war."Ach Ja... Der Knappe Veyt hat noch keine Tischdame."Und noch bevor die Kathul die drohende Gefahr abwenden konnte kam mit der Sicherheit eines zustoßenden Falken der nüchterne Tonfall eines Befehls, der nicht infrage gestellt werden konnte"Das macht dann wohl ihr, Kathul."Danach war alles ganz schnell gegangen, und ehe sie ihre fünf Sinne wieder beisammen hatte, stand sie in roter Seide inmitten einer Festgesellschaft und hoffte, dass es wenigstens für das Atmen hier keine Regeln gab, die sie irgendwie brechen konnte."Rote Seide... Das ist doch nicht richtig."Silbergreif schaute den Knappen Veyt erstaunt an"Herr?""Na!" Der Knappe Veyt gestikulierte vage und versuchte, soetwas wie rechtmäßige Entrüstung in seine Stimme zu zwingen "Rot ist die Farbe der Scharlachroten! Ihr seht ja beinahe wie eine von ihnen aus! Unsere Ordensfarben sind weiß, schwarz. Und Gold."Litonjas irritierte Miene veränderte sich zu einer hoffnungsvollen und dann zu einem breiten Grinsen. Eine Lücke!Momente später waren Kathul und Knappe, berechtigt durch den Vorwand, ein geeingnetes Kleid zu finden und beflügelt durch das Bestreben, so viel Raum wie möglich zwischen sich und die Festgesellschaft zu bringen in Sturmwind unterwegs.Und gerade, als sie dachten, man hätte sie dort oben auf den Feierlichkeiten freudigerweise vergessen, tauchte die goldene Strafe der Götter in Form von Sir Biensis auf, dessen zorniger Gesichtsausdruck ihnen klarmachte, dass er nicht zu Spielchen aufgelegt war, ja sogar, wie sich später herausstellte, sich durch ihr Verhalten in seiner Ritterwürde selbst gekränkt fühlte.Mit hängenden Schultern trottete Litonja zurück in den Vorhof der Hölle, auch Ballsaal genannt. Irgendwer da oben lachte in dem Moment sicher gaaaaanz laut über sie.Sie konnte nur hoffen, dass man auf Hinrichtungen kein Kleid tragen musste. Kategorie:Geschichten Kategorie:Orden des Erbauers
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