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| - Geschätzter Oheim, wie aufgetragen habe ich die etrorische Provinz Dolgoria bereist um zu schauen, was sie uns händlerisch bieten kann. Vorweg sei gleich vermerkt, dass sich in der zweiten Hälfte meiner Reise Gerüchte verfestigten, dass andernorts in Etrorien die Heerschar Almerons die Grenzen überrannt habe und sich durch das Reich fresse. Dolgorien jedenfalls bleib davon einstweilen unberührt. Angekommen bin ich, wie gedacht, in Dolgoria, der Hauptstadt des Herzogtums. Die Stadt ist ansehnlich. Hoch droben thront die Festung auf einem Höhenzug, der als Klippe ins Meer ausläuft. Sie ist die Garnison der Truppen des etrorischen Königs in Dolgorien. Unten in der Stadt findet sich eine zweite Burg, nämlich die des Herzogs. Sie ist kleiner als die Festung und beeindruckt weniger durch ihre schiere Größe, sondern durch ihre Ausstrahlung. Zum Handel: In Dolgoria wird viel Getreide umgeschlagen. Dieses stammt meist aus dem ophischen Teil Dolgoriens selbst, den ich noch bereisen werde. Die Stadt kann aus der Umgebung allein nicht versorgt werden. Dolgorien hat zwar lange Küstenlinien, aber über ein wenig Fischfang sind die Dolgorier nicht hinausgekommen. Die Stadt ist deutlich durch Waffenträger beherrscht. Das Handwerk besteht vielfach in der Verarbeitung von Metallen. Fast unmittelbar landeinwärts von Dolgoria erheben sich die ersten Höhenzüge des Felsengebirges, das sich an der ophischen Küste erstreckt. Von dort kommt das Eisenerz, das in Dolgoria verarbeitet wird. Verschiedene günstige Umstände treffen hier zusammen. Dolgorien ist im Landesinneren, abgesehen von einigen Meilen Küstenstreifen, fast ganz bewaldet. Dadurch, das das Land außer im Peristera durchgehend von Wasser umgeben ist, regnet es viel, Bäche und Flüsse sind allgegenwärtig, zudem weht von Meer ein zwar kühler, aber stetiger Wind. So bestehen gute Voraussetzungen für die Weiterverarbeitung des Eisenerzes. Das Erz wird im Felsengebirge sowohl nahe am Erdboden, als auch in Stollen gewonnen. Das Amt des Herzogs vergibt das Recht des Schürfens an jede Familie, die dafür den zehnten Teil ihres Ertrages an die Erzhütte des Herzogs in den Ausläufern des Felsengebirges abgeben muss. Aus diesem Anteil lässt der Herzog Waffen schmieden. Den restlichen Anteil des Erzes können die Sammler und Schürfer behalten, verkaufen oder in die Erzhütte zum schmelzen geben, wobei der Herzog dann wiederum den zwanzigsten Teil einbehält. Soweit ich es überschaue, ist der Eisenerzpreis in Dolgoria recht günstig. Man könnte bedenken, ob es sich lohnt, größere Mengen des Erzes von der Hütte des Herzogs zu kaufen oder sogar an die Schürfer selbst heranzutreten. Das ist erlaubt, würden den Herzog, wenn wir es im großen Stil machen, allerdings wohl kaum erfreuen, denn mit Ausnahme einiger kleiner Schmiede und Zwischenhändler scheint fast alles Erz durch seine Hütte zu gehen. Die Handwerker in der Stadt Dolgoria fertigen allerlei Dinge aus dem Eisenerz. Waffenherstellung bedarf einer besonderen Lizenz des Herzogs, aber auch Schüsseln, Schilde, Beschläge, manches für Wagen und Schiffe, besonders aber Rüstungen, die nicht von der herzoglichen Lizenz betroffen sind, kann man in Dolgoria zu guten Preisen erwerben. Da zudem auch viel Vieh gehalten wird – da der Boden im Machairas des Landes für Getreide wenig taugt – und viel Wasser zur Verfügung ist, ist auch Leder zu kaufen, am Rand der Stadt finden sich nicht wenig Gerber und Lederer.thumb|right|Die Farben der Festung Dolgoria Nach einigen Tagen in Dolgoria wandte ich mich nach Ophis. Ich passierte die Erzhütte und der Weg – mehr ein breiter Pfad – führte mich in die Wälder und an den Abhängen des Felsengebirges vorbei. Der Weg scheint soweit sicher, es gibt kleine Stationen, allerdings ist das Landesinnere, bis auf kleine Ansiedlungen von Bergarbeitern, Köhlern und wenigen Waldbauern wohl fast menschenleer. Man befindet sich ständig an kleinen oder größeren Wasserläufen, die Waldlichtungen sind vielfach sumpfig. Die Reise verlief eintönig und war über die Gesellschaft meiner Begleiter froh, auch wenn nächtens die Wölfe das Heulen anfingen oder ein Bär sich am Rand unseres Rastplatzes zeigte. Einer meiner Söldner verstand sich aber auch aufs Jagen und so wurde unser Teller gut bereichert... Als Handelsstrasse wird dieser Weg hier fast nur für die Getreidelieferungen aus dem Ophisteil des Landes nach Dolgoria benutzt. Für ständige Handelszüge ist er auch zu abgelegen und schlecht ausgebaut. Nach vier Tagesreisen lichtete sich aber der Forst und vor uns lag eine große, hügelige Ebene. Ich erfuhr, dass man sie in Dolgoria den „Großen Acker“ nennt. Es ist das fruchtbarste Gebiet des Herzogtums mit vielen kleinen Siedlungen. Hier bietet sich ein fast gänzlich anderes Bild als um Dolgoria selbst. Das Land ist gerodet, es gibt lauter Pfade, auf den sanften Höhen sieht man Bauern ihre Felder bearbeiten. Allerdings sind die Arbeitsweisen der Bauern recht altertümlich und auch pfeift einem der Wind vom Meer um die Ohren. Aber meine Stimmung, lieber Oheim, hob sich doch. Die Gegend ist viel weniger karg und sumpfig als der Machairas des Landes und nicht so finster und undurchdringlich wie seine Wälder. Auch die Menschen scheinen offener – ich denke, sie haben ein wenig etwas langurisches an sich. Ich folgte der Straße bis Kap Lassan, einem kleinen Hafen am äußersten Ende der Landzunge, denn von dort musste ich weiterreisen, da es an der ophischen Küste Dolgorias keine sichere Straße gibt.
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