. . . "Schnelle Schritte auf steinernem Boden, flackerndes Feuer hinter jeder Ecke. Schatten an der Wand vor ihm verh\u00F6hnten zitternd seine hastige Flucht, der Widerhall von Stimmen hinter ihm drohte mit ihrem Ende. Er duckte sich durch steinerne Torb\u00F6gen, hetzte flache kleine Stufen empor, floh in niedrige Durchg\u00E4nge. F\u00FCr ein Portal reichte seine Zeit nicht, f\u00FCr eine Ausf\u00E4delung war er am falschen Ort. Die Linien h\u00E4tten ihn zerrissen, h\u00E4tte er sich ihnen so hastig ge\u00F6ffnet. Doch nur ein Mensch\u2026Das war der Nachteil an Orten wie diesen. Es gab einfach Gegenden, Landschaften, St\u00E4dte, ja einzelne H\u00E4user, die so derma\u00DFen geschichtstr\u00E4chtig waren oder auch einfach das Ziel und die Ursache so vielen Strebens waren, das die Zeit dort nur so prasselte. Eisenschmiede etwa war Ursprung, Zwischenstation oder"@de . . "Unterwegs"@de . "Unterwegs - Die Reisen des Magisters (Teil 10)"@de . . . "Schnelle Schritte auf steinernem Boden, flackerndes Feuer hinter jeder Ecke. Schatten an der Wand vor ihm verh\u00F6hnten zitternd seine hastige Flucht, der Widerhall von Stimmen hinter ihm drohte mit ihrem Ende. Er duckte sich durch steinerne Torb\u00F6gen, hetzte flache kleine Stufen empor, floh in niedrige Durchg\u00E4nge. F\u00FCr ein Portal reichte seine Zeit nicht, f\u00FCr eine Ausf\u00E4delung war er am falschen Ort. Die Linien h\u00E4tten ihn zerrissen, h\u00E4tte er sich ihnen so hastig ge\u00F6ffnet. Doch nur ein Mensch\u2026Das war der Nachteil an Orten wie diesen. Es gab einfach Gegenden, Landschaften, St\u00E4dte, ja einzelne H\u00E4user, die so derma\u00DFen geschichtstr\u00E4chtig waren oder auch einfach das Ziel und die Ursache so vielen Strebens waren, das die Zeit dort nur so prasselte. Eisenschmiede etwa war Ursprung, Zwischenstation oder Ziel zahlloser Individuen gewesen. Ebenso waren dort gewichtige Entscheidungen getroffen worden, die das Schicksal Tausender bestimmt hatten. Helden und Verbrecher gleicherma\u00DFen waren hier zur Welt gekommen und gestorben. Das Ergebnis: Die Linien, dicke wie d\u00FCnne, die Ebenen und die Verbindungen waren derma\u00DFen abartig zahlreich, dass man allein beim Betrachten wahnsinnig werden konnte. Der Verstand versuchte die Linien zu erfassen, scheiterte erb\u00E4rmlich und wurde schlie\u00DFlich selbst von den Linien erfasst, aufgesplittert und absorbiert. Der K\u00F6rper folgte dem Geist wenig sp\u00E4ter \u2013 kein angenehmer Tod, wenn es \u00FCberhaupt einer war. Er sprang \u00FCber einen kleinen Lavaspalt, der ohnehin fast unertr\u00E4gliche Schwefelgestank und die allgegenw\u00E4rtige Hitze waren hier fast \u00FCberw\u00E4ltigend stark.Der Linienri\u00DF, wie man diesen Tod nannte, war auch der Grund, warum zwar der erste, zweite und vierte, nicht aber der dritte Jahrgang in Ausbildung in gr\u00F6\u00DFere Hauptst\u00E4dte und andere Orte dieser Kategorie durfte: Die Auszubildenden im dritten Jahr konnten zwar schon Linien erkennen und betrachten, diese Betrachtung aber noch nicht wirklich beherrschen oder gar verarbeiten. Sa\u2019at hatte das damals einen \u201Ezeitigen Tod\u201C genannt und dabei gelacht (oder gehustet \u2013 wer wusste das schon? Es waren prinzipiell immer noch \u00FCbergro\u00DFe Echsen. Konnten Echsen \u00FCberhaupt husten? Oder es vielleicht lernen?). So oder so war es eine der wenigen Ausgangssperren, die niemand zu \u00FCbertreten gewagt hatte \u2013 oder zumindest konnte man sich an keinen erinnern, der sie \u00FCbertreten h\u00E4tte (Die Jahrb\u00FCcher der Ausbildungsjahrg\u00E4nge im bronzenen Drachenschwarm hatten stets etliche leere Seiten, wo eigentlich Portraits von Absolventen sein m\u00FC\u00DFten. Es gab jede Menge wilde Ger\u00FCchte dar\u00FCber, dort fehlten all die in der Zeit Zerrissenen, Aufgel\u00F6sten und Verschwundenen, aber das war nat\u00FCrlich Quatsch: Wer aus der Zeit verschwand, tat das mitsamt seines Abschlu\u00DFportraits und demzufolge auch mitsamt seiner Seite. Die L\u00FCcken im Jahrbuch wurden auf Anachronos Weisung extra frei gelassen, um genau diese Ger\u00FCchte zu erzeugen. Die einhellige Meinung war, Angst vor spurlosem Verschwinden sei eine gro\u00DFartige Lernmotivation.). Er duckte sich hinter eine niedrige Mauer aus saronitverziertem Sandstein. Wenn Angst eine Lernmotivation ist, lerne ich gerade f\u00FCr\u2019s Leben.Ein Schatten tauchte am Ende des Ganges auf und hielt zitternd inne. Er hielt den Atem an. Der Schatten an der Wand zeigte eine unf\u00F6rmige Gestalt. Sie schien sich umzublicken, dann n\u00E4herte sie sich langsam. Er umklammerte das Buch. Das war es nicht wert, nein, DAS nicht! Die Gestalt schrumpfte und wurde zur Silhouette einer kr\u00E4ftigen Zwergin. Bellagranda Sibelia Donnerwasser, Hohe Fachfrau f\u00FCr Architektur und Arch\u00E4ologie und ehemalige Aspirantin des Bronzenen Drachenschwarms. 130 Zentimeter geballte energische Zuneigung. In der rechten Hand hielt sie einen Fruchtkuchen, in der linken einen Mistelzweig.\u201EHuhuuuuuu\u2026! Du musst Dich nicht versteeeckeeeen\u2026!\u201C Sie schien zu lauschen. \u201EIch habe ihn extra f\u00FCr Dich gebaaaaackeen\u2026!\u201C Er r\u00FChrte sich nicht. Alles hat Grenzen. Soll meine Linie doch enden.Die Relativit\u00E4t der Zeit offenbarte sich, indem sie die Sekunden zu Ewigkeiten platt h\u00E4mmerte. Selbst die Flammenschalen Eisenschmiedes schienen in Zeitlupe zu lodern.Dann ging der Moment vorbei. Bellagranda verschwand in einem Seitenkorridor. Noch eine ganze Weile drang ihr Rufen an sein Ohr, langgezogen und bedrohlich wie das Heulen von W\u00F6lfen in einer kalten Winternacht. Seine H\u00E4nde zitterten, als er schlie\u00DFlich ein Portal \u00F6ffnete.Ich bin zu alt f\u00FCr diesen Schei\u00DF."@de . . . .