"Der alte Mann stand einfach da und starrte in die neblige Luft der Innenstadt, w\u00E4hrend er monoton Bibelverse zitierte. \u00BBSo spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und Wesen, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort. \u00AB Alle gingen an ihm vor\u00FCber, die wenigen, die ihn beachteten, r\u00FCmpften die Nase \u00FCber seine ungepflegte Erscheinung. \u00BBUnd du sollst f\u00FCr dies Volk nicht bitten und sollst f\u00FCr sie keine Klage noch Gebet vorbringen, auch nicht sie vertreten vor mir; denn ich will dich nicht h\u00F6ren.\u00AB br\u00FCllte er der gesch\u00E4ftigen Menge zu. Wieder gab es keinerlei Reaktion, weder die Menge, noch der Prediger reagierten auf diesen eklatanten Mangel an Kommunikation, sie ignorierten sich gegenseitig und fuhren v\u00F6llig anteilnahmslos in ihrem Treiben fort. \u00BBAber sie wollen mich nicht h\u00F6ren noch ihre Ohren neigen, sondern waren halsstarrig und machten's \u00E4rger denn ihre V\u00E4ter. \u00AB schrie der M\u00F6nch w\u00FCtend, aber niemand verstand, was ihn \u00FCberhaupt erregte, nicht einmal der junge Mann, dem er praktisch ins Gesicht schrie. \u00BBEntschuldigen sie vielmals\u00AB stammelte der Heranwachsende. \u00BBHabe ich etwas verkehrt gemacht, oh Moment, sie sammeln Spenden oder? Schauen sie, ich habe heute einen guten Tag und sie bekommen von mir, wollen wir mal sehen...\u00AB er kramte seine Geldb\u00F6rse hervor und verzog verdrie\u00DFlich sein Gesicht, als er nur Kupferm\u00FCnzen und gro\u00DFe Geldscheine vorfand. \u00BBSchneide deine Haare ab und wirf sie von dir und wehklage auf den H\u00F6hen; denn der HERR hat dies Geschlecht, \u00FCber das er zornig ist, verworfen und versto\u00DFen\u00AB klagte der Gottesmann weiter, den Versuch einer Spende v\u00F6llig ignorierend. \u00BBSammeln sie gar nicht oder wie?\u00AB fragte der Junge \u00FCberrascht. \u00BBWas mag mich in meinem Jammer erquicken? Mein Herz ist krank.\u00AB kam es als Antwort. Mit Geld war diesem Prediger wohl nicht zu helfen. \u00BBWissen sie, wenn sie gar kein Geld sammeln, dann finde ich das ehrenhaft, ich halte sowieso nichts von diesen angeblich frommen Menschen, die nur hinter Spenden her sind.\u00AB redete der junge Mann weiter. \u00BBWissen sie, ich habe heute einen freien Tag, die Uni ist geschlossen und ich bin gut drauf. Aber ich kann ihre Botschaft einfach nicht verstehen, nehmen sie mir das nicht \u00FCbel, ich w\u00FCrde gerne, aber...\u00AB \u00BBWo ist jemand, so er f\u00E4llt, der nicht gerne wieder aufst\u00FCnde? Wo ist jemand, so er irregeht, der nicht gerne wieder zurechtk\u00E4me?\u00AB schimpfte der Alte, er schien sichtlich erbost. \u00BBWas meinen sie?\u00AB bohrte der Student weiter nach. Er argw\u00F6hnte, dass der Prediger einfach geistesgest\u00F6rt war, aber es missfiel ihm, voreilig \u00FCber Leute zu urteilen, irgendetwas Besonderes war an diesem alten Mann, der unerm\u00FCdlich in seinem abgewetzten \u00D6lzeug dastand und in stoischer Beharrlichkeit kryptische Botschaften verbreitete. \u00BBIhre falschen Zungen sind m\u00F6rderische Pfeile; mit ihrem Munde reden sie freundlich gegen den N\u00E4chsten, aber im Herzen lauern sie auf ihn.\u00AB mahnte er weiter, den Studenten ignorierend. Dieser wandte sich ab und wollte gerade gehen, da rief ihm der alte Mann etwas zu, das ihn verbl\u00FCffte \u00BBWer Ohren hat zu h\u00F6ren, der h\u00F6re! Denn nichts ist verborgen, das nicht offenbar gemacht wird, und nichts geschieht so heimlich, dass es nicht an den Tag kommt.\u00AB seine Stimme \u00E4nderte sich, sie war nun nicht mehr verbittert und wild, sondern belehrend und fest \u00BBWenn ihr dieses Gleichnis nicht versteht, wie wollt ihr dann alle Gleichnisse verstehen? Der S\u00E4mann s\u00E4t das Wort.\u00AB \u00BBDar\u00FCber muss ich l\u00E4nger nachdenken.\u00AB antwortete der Student und drehte sich noch einmal zu dem M\u00F6nch um. \u00BBAber ich glaube ich habe Sie verstanden. Danke f\u00FCr ihre Ratschl\u00E4ge. \u00AB Pl\u00F6tzlich wurde der erst so abwesende Blick des Gottesdieners aufmerksam, seine m\u00FCden Augen wirkten nun unglaublich intelligent, fast be\u00E4ngstigend, als er den Studenten musterte. \u00BBDein Glaube hat dich gerettet! \u00AB sprach er und segnete ihn \u00BB Geh hin im Frieden und sei von deiner Plage gesund!\u00AB. Dann gab er dem Studenten die Hand. Es war der starre Griff eines Toten, unter seinem bleichen Glacehandschuh schienen sich nur scharfkantige Knochen zu befinden und die Hand war eiskalt. Der Student erschauderte. Aber schnell fiel ihm eine plausible Erkl\u00E4rung ein, es war blo\u00DF eine Armprothese. Ohne etwas zu sagen verlie\u00DF er den Ort, and\u00E4chtig schweigend. W\u00E4hrend des Heimwegs gr\u00FCbelte er ausgiebig \u00FCber diese denkw\u00FCrdige Begegnung. An jenem Tage sollte vielen Leuten noch B\u00F6ses widerfahren. Etliche, w\u00FCrden schon bald \u00FCber verschwommene Sicht und zitternde Finger klagen. Mancher w\u00FCrde auch von fremdartigen Kopfschmerzen berichten oder von einem seltsamen Zustand der Orientierungslosigkeit, einer diffusen Unruhe und beklemmenden Brustenge, einem Gef\u00FChl, als w\u00FCrde das Herz nur widerwillig schlagen. Keiner aber sollte es mit dem heruntergekommenen Mann in Verbindung bringen, der in seinem Allwettermantel endlos Verse zitierte. Und schon bald sollte alles wieder vergessen sein, denn das war nichts Bedeutendes, nur eine \u00FCble Tr\u00FCbung der Befindlichkeit, die vor\u00FCber zieht. Von all dieser Beschwerlichkeit ahnte der gesegnete Student nichts. Er begab sich auf dem schnellsten Weg zur\u00FCck in seine WG im Wohnheim. Als er dort angekommen war und man ihn mit Bier und Pizza begr\u00FC\u00DFte, verga\u00DF er die Worte des M\u00F6nches, die ihn erst so beeindruckt hatten. Er nahm sich ein St\u00FCck von der Margherita und setzte sich vor den Fernseher, wo gerade ein merkw\u00FCrdiger Film lief, eine moderne Aufmachung der Kreuzigung Jesu. Die Ironie dieser Situation verstand er jedoch nicht mehr, weil er unerwartet eines grausamen Todes starb. Seine H\u00E4nde zermalmten die Pizza von der er gerade ein St\u00FCck abbei\u00DFen wollte und m\u00E4chtige Kr\u00E4mpfe schn\u00FCrten ihm die Luft ab, w\u00E4hrend die Nackenmuskeln von dem alleinigen Wunsch beseelt waren, sein Genick zu brechen. Die Mitbewohner konnten das Ausma\u00DF seiner Schmerzen nur erahnen, es war ihm nicht mehr m\u00F6glich zu sprechen, denn der W\u00FCrgegriff der Kr\u00E4mpfe war felsenfest. Keine Luft blieb zum Schreien, das Zwerchfell drohte die Lunge zu zerrei\u00DFen. Schnell wurde er von diesem qualvollen Zustand erl\u00F6st, denn schlagartig lockerte sich seine Muskulatur und er sackte in sich zusammen. Seine besorgten Mitstudenten legten ihn behutsam auf das Sofa und deckten ihn zu. Es schien, als w\u00FCrde er schlafen, ein sanftes L\u00E4cheln auf seinem Gesicht, er sah so friedlich aus, niemand ahnte, dass er bereits eine Leiche war. Der herbeigerufene Notarzt stellte jedoch rasch den Tod fest, die pl\u00F6tzlichen Kr\u00E4mpfe wurden als Symptome des Enthirnungssyndroms gedeutet und es wurde ein Fallbericht verfasst, der sp\u00E4ter in einigen medizinischen Journalen auftauchen sollte. Das war ein weiterer Fall von spontanem Hirntod ungekl\u00E4rter \u00C4tiologie, eine mysteri\u00F6se Krankheit, die als spezielle Form des Schlaganfalls interpretiert wurde, ein sporadisches Auftreten wurden seit etwa einem halben Jahr beschrieben. Die Fachwelt war ratlos, diese Entwicklung galt als Besorgnis errgend, doch es gab keine Hinweise auf ein ansteckendes Potential, daher berichteten nur die Lokalzeitungen \u00FCber die Tode. Niemand verstand, was vor sich ging, so wie niemand die Worte des alten Predigers verstand. Die regionale Boulevard-Presse schrieb von einer Horror-Seuche, w\u00E4hrend die seri\u00F6seren Zeitungen nichtssagende Interviews mit Fach\u00E4rzten aus der \u00F6rtlichen Uniklinik ver\u00F6ffentlichten. Der alte Toxikologe legte gelangweilt seine Zeitung beiseite und widmete sich wieder dem schwarzen Kaffee, der vor ihm auf dem Tisch stand. Es war den \u00C4rzten offensichtlich unm\u00F6glich, die wahren Hintergr\u00FCnde zu erkennen, er hatte aber auch nichts anderes erwartet. Niemand w\u00FCrde jemals bemerken, dass es gar keine r\u00E4tselhafte Krankheit gab, dass es in Wirklichkeit giftige Phosphorigs\u00E4ureester waren, an denen die Menschen starben. Sie wirkten in einer so geringen Dosis, dass es kaum m\u00F6glich war, sie nachzuweisen, selbst wenn jemand eine Ahnung gehabt h\u00E4tte, wonach zu suchen war und ihre Wirkung entfalteten sie indem sie untrennbar mit Rezeptoren im Zentralnervensystem verschmolzen, es war unm\u00F6glich, sie aus den Gehirnen der Opfer zu isolieren. Wie sollten sie es auch heraus finden, sie konnten es doch gar nicht verstehen, denn die Erkl\u00E4rungen in den Lehrb\u00FCchern waren allesamt falsch. Phosphorigs\u00E4ureester wirkten zwar wie \u00FCberall beschrieben an der Acetylcholinesterase, aber die Hemmung dieses Enzyms war nicht die Quelle ihrer t\u00F6dlichen Eigenschaften. Es gab ein viel verwundbareres Ziel im menschlichen K\u00F6rper, das jedoch nie in der \u00F6ffentlich einsehbaren Literatur beschrieben wurde. Die Acetylcholinesterase konnte gar nicht das einzige Ziel sein, er hatte vor einigen Jahren den Beweis selbst gesehen - Laborm\u00E4use bei denen dieses Enzym vollst\u00E4ndig ausgeschaltet wurde. Es waren bejammernswerte Kreaturen, die am ganzen K\u00F6rper zitterten. Sie waren scheu\u00DFlich abgemagert und ihnen lief best\u00E4ndig Schleim aus dem Maul, den Augen, der Nase und sogar in den Ohren setzte er sich ab. Das alles aber \u00E4nderte nichts daran, dass sie lebten. Tagelang, Wochenlang und Monatelang. Ein Leben ohne dieses Enzym war m\u00F6glich, seine Hemmung f\u00FChrte nicht zwingend zum Tod. Manches w\u00FCrde man sogar noch in den Fachzeitschriften finden, wenn man sorgf\u00E4ltig suchen w\u00FCrde. Das Ziel an dem die Gifte angriffen um den sofortigen Tod zu bewirken aber galt weiterhin als unbekannt. Die \u00D6ffentlichkeit kennt stets nur die Oberfl\u00E4che, was in der Tiefe liegt bleibt ihr verborgen. Sie hatten das Ziel schon l\u00E4ngst identifiziert und Stoffe gefunden, die zehntausendfach schneller und selektiver angriffen als alle bekannten Gifte, aber das wurde unter Verschluss gehalten. Es war eine selbstlose Arbeit, denn kein Ruhm und kein Preis standen in Aussicht, kaum jemand sollte je davon Notiz nehmen und gleichzeitig war der Umgang mit den Substanzen lebensgef\u00E4hrlich. Ein Bruchteil eines Tropfen reichte aus um bei blo\u00DFem Hautkontakt unausweichlich den Tod herbei zu f\u00FChren. Trotz penibelster Sicherheitsma\u00DFnahmen nagten die Gifte an der Gesundheit der Forscher. W\u00E4hrend der Jahre in denen er auf diesem Gebiet forschte - jeden Tag in der st\u00E4ndigen Angst, es k\u00F6nnte sein letzter sein - hatten er und seine Kollegen zu Gott gefunden. Erst war es nur ein diffuses Gef\u00FChl, eine Ahnung, doch dann wurde es von Tag zu Tag deutlicher. In den Gebeten blieb der Herr nicht mehr stumm, er begann zu sprechen. Zun\u00E4chst bemerkten sie nur ein Fl\u00FCstern, das man kaum h\u00F6ren konnte, doch dann wurde es best\u00E4ndig lauter. Gefl\u00FCgelte Wesen begleiteten sie bei all ihren Versuchen und wiesen ihnen den rechten Weg, hin zu immer t\u00F6dlicheren Giften. Sp\u00E4ter verlor er bei einem Unfall seinen rechten Unterarm - man schlug ihn kurzerhand mit einer vorher bereit gelegten Axt vor dem Ellenbogen ab, als ihm eine der L\u00F6sungen \u00FCber die Hand gelaufen war und rettete so sein Leben. Seitdem konnte er die Sprache der Engel verstehen. Seine Kollegen und selbst der Projektleiter fragten ihn oft um Rat, denn nur er verstand, was die Boten Gottes sagten, aber alle sahen die schwarzen Schatten mit den langen Fl\u00FCgeln an den W\u00E4nden lang laufen. Sie verk\u00FCndeten Gerechtigkeit und Wahrheit, was sie sprachen war Weisheit und ihren Befehlen war sofortige Folge zu leisten, selbst der Direktor verstand die Notwendigkeit, denn das Gelingen des Projekts war von der Gnade Gottes abh\u00E4ngig, da waren sich alle einig. Deshalb wagte auch keiner Fragen zu stellen, als die Engel anfingen Menschenopfer zu fordern. Nachdem er den Kaffee ausgetrunken hatte, verlies er eilig das Cafe, denn die Zeit dr\u00E4ngte. Heute sollte er zwei Seelen in den Himmel f\u00FChren. Soremann (Diskussion) Kategorie:Geisteskrankheit Kategorie:Mord Kategorie:Artikel ohne Bilder Kategorie:Mittellang Kategorie:Experimente"@de . . . . . . "Wille Gottes"@de . "Der alte Mann stand einfach da und starrte in die neblige Luft der Innenstadt, w\u00E4hrend er monoton Bibelverse zitierte. \u00BBSo spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und Wesen, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort. \u00AB Alle gingen an ihm vor\u00FCber, die wenigen, die ihn beachteten, r\u00FCmpften die Nase \u00FCber seine ungepflegte Erscheinung. \u00BBSchneide deine Haare ab und wirf sie von dir und wehklage auf den H\u00F6hen; denn der HERR hat dies Geschlecht, \u00FCber das er zornig ist, verworfen und versto\u00DFen\u00AB klagte der Gottesmann weiter, den Versuch einer Spende v\u00F6llig ignorierend."@de .